Samstag, 26. November 2022

Rezension: „Der Zorn der Flut“ von Hendrik Lambertus

"Der Zorn der Flut" von Hendrik Lambertus
Quelle: Rowohlt
In „Der Zorn der Flut“ von Hendrik Lambertus geht es um die Marcellusflut 1362 und ihre Folgen für die Uthlande. Erschienen ist der Roman im November 2022 bei Rowohlt. 

Uthlande 1361: Die Winterstürme greifen die Deiche an und nur Deichbauer Folkert scheint die Gefahr zu erkennen. Beständig ermahnt er die Bauern und Staller der Uthlande die Deiche auszubessern, um ihre Heimat vor der unbändigen Gewalt der Westsee zu schützen, doch niemand möchte so recht auf ihn hören. Zu sehr sind sie von anderen Problemen eingenommen, wie beispielsweise die hohen Abgaben, die der Dänenkönig Waldemar für seine Kriegszüge verlangt. Hier ist Auke, der Bruder des Deichbauers, ganz vorne mit dabei. Er kämpft für die Freiheit der Friesen und ihre Traditionen und seine große Liebe Griet, die zum Vorteil der Uthlande einen Hamburger Kaufmann heiraten soll. Der 16. Januar 1362 soll jedoch alles ändern: Ein gewaltiger Sturm entfesselt die geballte Kraft der Westsee und die Deiche brechen… 

In den Vorschauen habe ich dieses Jahr gar nicht so sehr geschaut, umso glücklicher war ich als ich eine Mail zu diesem Buch bekam. „Das Erbe der Altendiecks“ hatte mir schon ganz gut gefallen und der Klappentext hat mich angesprochen. Wenn ich etwas über die Geschichte meines Bundeslandes lernen kann, bin ich gerne an vorderster Front mit dabei. Leider habe ich in meiner Schulzeit nicht wirklich etwas über die Marcellusflut gelernt, was eigentlich ein Skandal ist, wie ich finde. 
Ich bin schnell in dieses Buch hineingekommen. Die Beschreibungen der Uthlande haben lebhafte Bilder vor meinen Augen entstehen lassen. Der Norden Deutschlands wird seinem Ruf gerecht und begrüßt einen mit waschechtem Schietwetter. Die Protagonisten werden gekonnt eingeführt und die Weichen für die kommende Katastrophe werden geschickt gelegt. 
Der Spannungsbogen entwickelt sich über den gesamten Roman hin sehr gut. Die Spannung wird kontinuierlich aufgebaut. Doch der Autor macht nicht bei der Flut als Höhepunkt halt, sondern erzählt in der zweiten Hälfte des Romanes wie es den Uthlanden nach der Katastrophe ergeht und wie das Leben von Neuem aufgebaut wird. Die Darstellung der großen Mandränke, wie die Marcellusflut auch genannt wird, fand ich grandios. Es waren recht viele Seiten dazu, aber keine war zu viel und keine war langweilig. Ich habe so sehr bei diesen Ereignissen mitgefiebert. Nach der Flut hatte ich allerdings einen kleinen Hänger, dies wurde mit einem tollen Finale aber mehr als wieder wett gemacht. 
Ich konnte viel über das Leben an der Küste der heutigen Nordsee lernen. Die herrschenden Verhältnisse werden beschrieben und wie die Menschen zusammen mit der Westsee und ihren Kräften leben, womit die Bauern ihr Geld verdienen und wie sie ihre Verwaltung organisieren. Außerdem habe ich einiges über die Rechtssprechung dort erfahren. 
Gespickt ist dies natürlich mit dem ein oder anderen friesischen Begriff. Da war für mich das ein oder andere neue Wort dabei, aber auch einiges, das ich bereits kannte. Dennoch hätte es für meinen Geschmack gerne sogar noch mehr sein dürfen. Der ein oder andere friesische Ausruf oder friesische Redewendungen hätten den Roman mit Sicherheit noch bereichert und noch etwas friesischer/norddeutscher gemacht. Insgesamt ist es dem Autor aber gut gelungen das norddeutsche Flair einzufangen und auch die Besonderheit der Uthländer hervorzuheben. 
Die Personen empfand ich allesamt als spannend und jeder trägt seinen Anteil zur Geschichte bei. Wir verfolgen einmal Auke und seinen Bruder Folkert. Auke ist der Ungestüme von beiden, der unbedingt die friesische Freiheit erhalten will und so manches Mal ein wenig übereilt handelt. Doch gerade dieses Verwegene spricht die Stallerstochter Griet sehr an und schon früh ist die Liebe der beiden gefestigt. Seine Entwicklung fand ich sehr spannend, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Ich finde, der Autor ist mit ihm einen sehr konsequenten Weg gegangen. 
Folkert hingegen ist ruhig und vernünftig. Die Arbeit an den Deichen erfüllt ihn und so ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass diese ausgebessert werden, um die Bewohner der Uthlande ausreichend zu schützen. An seiner Seite ist der belesene Ansgar, der leider nicht sehr durchsetzungsstark ist, aber das Herz am rechten Fleck hat. Gerade die Freundschaft dieser beiden hat mir sehr gefallen. 
Dann gibt es noch Janne und Lentje, mit denen es das Leben bisher nicht so gut meinte. Sie arbeiten auf dem Hofe des Bauern Abbo, der sie schlecht behandelt. Durch ein dramatisches Ereignis kommen sie in den Dunstkreis von Griet und werden eine wichtige Stütze für diese. Mir hat es sehr imponiert, wie Janne trotz der ärmlichen Verhältnisse versucht, ihrer Tochter eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Mit den beiden habe ich tatsächlich noch am meisten mitgefiebert. 
Zu den eher ungemütlichen Personen in diesem Buch zählt Ulrich Wullenwever und sein Aufpasser Burkhart. Burkhart agiert mehr im Hintergrund und ist derjenige, der für seinen Herren die Drecksarbeit erledigt. Anfangs hatte ich mit dem wenig erfolgreichen Kaufmannssohn noch ein wenig Mitleid, doch das Buch hat mit jedem Kapitel immer mehr unliebsame Eigenschaften zu Tage gefördert. Obwohl Ulrich bisher nicht viel erreicht hat, ist er dennoch sehr von sich eingenommen und duldet keinen Widerspruch. Er heischt nach Anerkennung und trifft so oftmals sehr zweifelhafte Entscheidungen. 
Das Cover dieses Buches hat mir sehr gut gefallen, weil es einerseits die Warften mit seinen Kirchen oder anderen Gebäuden, die die Menschen schützen sollen, gut einfängt, andererseits aber auch die Kraft des Meeres gut darstellt. Als Zusatzmaterial gibt es lediglich ein kurzes Nachwort und ein umfangreiches Glossar. Die Personenanzahl ist überschaubar, so dass es ok ist, das Personenverzeichnis weg zu lassen. Eine Karte hätte das Buch allerdings sehr bereichert, wie ich finde. Was die Flut angestellt hat, wird auch im Buch sehr gut dargestellt, aber eine Karte zeigt das nochmal direkter. Leider hat sich an meinem Exemplar auch die Folie sehr schnell ein wenig abgelöst, was ich sehr schade finde. Der Freude an dieser Geschichte hat dies jedoch keinen Abbruch getan. 

Fazit: Ein wunderbarer historischer Roman, der die Marcellusflut und seine Folgen grandios einfängt und mich bis auf einen kleinen Hänger sehr gut unterhalten hat. Ich konnte viel über das norddeutsche Leben im 14. Jahrhundert für mich mitnehmen. Empfehlenswert für alle, die einen gut recherchierten Roman zu schätzen wissen, der eine fiktive Geschichte gekonnt mit historischen Begebenheiten verbindet.
 

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Titel: Der Zorn der Flut
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
Autor: Hendrik Lambertus
Erscheinungsdatum: 15.11.2022
ISBN: 978-3-499-00832-0

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